29.09.15 /// „Rajkovic hätte eine Größe in der HSV-Abwehr werden können“ – Lilien INSIDE-Interview mit Hamburg-Kenner Gerrit Menk

Der SV Darmstadt 98 hat sich noch einmal verstärkt, und zwar mit dem zuletzt vereinslosen Innenverteidiger Slobodan Rajkovic. Der 26-Jährige war zuvor beim Hamburger SV aktiv und kann auf 42 Einsätze in der Bundesliga zurückblicken. Ausgebildet wurde der 1,91 Meter große „Boban“ beim FC Chelsea, wohin er schon mit 16 Jahren wechselte. Bislang lief er vierzehnmal für sein Heimatland Serbien auf.

Lilien INSIDE hat mit Journalist und HSV-Experte Gerrit Menk über Rajkovic gesprochen.

 

Lilien INSIDE: Herr Menk, wie würden Sie den Fußballspieler Slobodan Rajkovic beschreiben? 

 

Gerrit Menk: Slobodan Rajkovic ist ein typischer Innenverteidiger, kopfball- und zweikampfstark. Hat er sich einmal in einem Team eingespielt, kann er zu einer echten Verstärkung werden. Er spielt körperbetont, zuweilen vielleicht auch mal ruppig. Das mag nicht jedem gefallen oder als destruktiv bezeichnet werden, ist aber in entscheidenden Spielsituationen oder im Kampf gegen den Abstieg manchmal das optimale Mittel

 

Lilien INSIDE: Was ist seine größte Stärke, was seine größte Schwäche?

 

Menk: „Boban“ ist gefährlich bei hohen Bällen, also insbesondere bei Standards, und er ist zweikampfstark und körperlich sehr robust. Als Schwäche würde ich vielleicht herausstellen, dass er sich dem Niveau der Mannschaft anpasst. Also wenn es schlecht läuft, läuft es auch bei ihm nicht. Er ist kein Typ, der eine Mannschaft alleine aus dem Sumpf zieht. Womit ich nicht sagen will, dass er kein Leader sein kann, dazu hatte er beim HSV wohl nie die Chance.

 

Lilien INSIDE: Wie ist Rajkovic charakterlich einzuschätzen? 

 

Menk: Wenn er das Vertrauen des Trainers genießt, wird er zu einem wertvollen Kämpfer. Beim HSV hat er in vier Spielzeiten leider nur 42 Spiele gemacht – unter anderem wegen schweren Verletzungen. 2014 zum Beispiel hatte er nach überstandenem Innenbandriss gerade wieder zwei Spiele gemacht, schon hat er sich das Kreuzband gerissen. Deshalb war er nie über einen langen Zeitraum zu beobachten. Unter Trainer Thorsten Fink war er nahezu abgemeldet, unter Mirko Slomka hat er 2014 eine bemerkenswerte Vorbereitung gespielt, bevor er wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wurde. Unter Bruno Labbadia bekam er wieder seine Chance in der HSV-Verteidigung.

 

Lilien INSIDE: Gerade im letzten Spiel in Dortmund wurde das Motto von Trainer Dirk Schuster „Mentalität schlägt Qualität“ wieder perfekt umgesetzt. Passt Rajkovic auch dahingehend zu den Lilien? 

 

Menk: Er ist ein bundesligaerfahrener Spieler im besten Fußballer-Alter, der bei seinem letzten Verein auf’s Abstellgleis geraten ist bzw. seinen Vertrag nicht verlängert bekommen hat. Insofern passt er genau in das Transfer-Schema der Lilien in dieser Saison. Wie auch Spieler wie Rausch oder Wagner wird er beweisen wollen, dass er die Qualität hat, in der Bundesliga mitzuhalten. Ich glaube, er kann sich schnell in die Darmstädter Mannschaft einfinden, denn er passt perfekt ins Konzept.

 

Lilien INSIDE: Der HSV hat 2011 zwei Millionen Euro für ihn bezahlt – jetzt spielt er in Darmstadt. Was ist ihm in den letzten Jahren passiert? 

 

Menk: Da sind einige Dinge suboptimal gelaufen, woran er größtenteils keine Schuld trägt. Für viele HSV-Spieler (und natürlich auch die Fans) waren die letzten Jahre mehr als schwer und schlichtweg chaotisch. Bei Rajkovic kam einfach alles zusammen – zu Beginn gleich kritisch beäugt, furios gestartet, litt er wie viele andere unter den zahlreichen Trainerwechseln und zusätzlich unter teils langwierigen Verletzungen. Mal hat er super Spiele abgeliefert, unter dem einen Trainer war er aussortiert, unter dem nächsten kam er wieder ins Team, dann kam wieder eine Verletzung. Unter Bruno Labbadia hat er es zum Ende der letzten Saison wieder in die Mannschaft geschafft, am letzten Spieltag sogar ein Tor gegen Schalke erzielt. Labbadia hat das Potential in ihm gesehen, genau wie in Gojko Kacar und Ivo Ilicevic, die im Winter schon zum Verkauf standen. Jetzt sind beide feste Bestandteile im HSV-Team. Unter anderen Vorzeichen hätte Rajkovic auch zu einer festen Größe in der HSV-Abwehr werden können.

 

Lilien INSIDE: Fällt Ihnen eine typische Rajkovic-Spielsituation ein?

 

Menk: Da kommen mir zwei in den Sinn, beide aus seiner ersten Saison beim HSV. In seinem ersten Spiel (27.08.11, 4. Spieltag, 3:4 gegen Köln, Anm. d. Red.) schoss er in einer furiosen Partie das zwischenzeitliche 2:2. Er kann ja auch durchaus ein torgefährlicher Verteidiger sein. Er trug die Rückennummer 23 und ein Kommentator sagte: „Der Letzte beim HSV, der mit dieser Rückennummer traf, war Rafael van der Vaart.“ Das hat sich irgendwie eingeprägt. Die andere Situation war leider weniger schön, habe ich aber auch immer mit „typisch Rajkovic“ verbunden. Gegen den 1. FC Kaiserslautern (So. 30.10.11, 11. Spieltag, 1:1, Anm. d. Red.) flog er früh mit Rot vom Platz, er war etwas ungestüm und mit dem Ellenbogen voran in den Zweikampf gegangen. War in meinen Augen eine vertretbare, aber keine zwingend notwendige Entscheidung.

 

Lilien INSIDE: Aytac Sulu und Luca Caldirola harmonieren in der Innenverteidigung bislang gut, wird Rajkovic einen von beiden auf lange Sicht verdrängen?

 

Menk: Die Qualität hat er auf jeden Fall. Ob es dazu kommt, entscheidet letztendlich der Trainer. Allerdings geht es meines Erachtens nicht darum, jemanden zu verdrängen, sondern um die wachsende Qualität im gesamten Team. Jeder Spieler einer Mannschaft sollte wichtig sein, egal ob Stammelf oder nicht. Eine Mannschaft sollte idealerweise auf jeder Position doppelt besetzt sein, so qualitativ wie möglich. Spätestens wenn Sulu oder Caldirola mal verletzt oder gesperrt sein sollten, wird Darmstadt 98 froh sein, einen Slobodan Rajkovic in seinen Reihen zu haben.

 

26.09.15 /// Vor dem Match Borussia Dortmund vs SV Darmstadt 98

Am 13. April 2013 spielte der SV Darmstadt 98 im Abstiegskampf gegen Borussia Dortmund II. Damals bin ich für liga3-online.de mit dem Kollegen Frank Leber vom Darmstädter Echo nach Dortmund gefahren. Wir parkten dank Akkreditierung im Bauch des Westfalenstadions, welches wir ungläubig geradezu verlassen und ruhig vorfanden. Wir genossen diese unwirkliche Szenerie und gönnten uns ein paar Momente in diesem Tempel des Fußballs. Wie schön es doch wäre, hier die Lilien spielen zu sehen. Hier, wo vor ein paar Tagen Felipe Santana den BVB gegen Malaga in der Champions League in den siebten Himmel schoss.

Aber diese Szenerie war zu diesem Zeitpunkt unerreichbar weit weg.

Das Spiel der 98er ging wenig später vor etwa 1100 Zuschauern im altehrwürdigen Stadion Rote Erde, direkt neben dem Koloss Westfalenstadion, mit 0:1 verloren. Damals übrigens schon mit dabei: Aytac Sulu (auf dem Foto mit der Nummer 20 und noch mit langen Haaren). Die Lilien rutschten nach der Niederlage auf einen Abstiegsrang. Ex-Lilienspieler und BVB II-Trainer David Wagner tat es auf der Pressekonferenz nach dem Spiel in der Seele weh.

Am Ende stiegen die Lilien mit einem unfassbar bitteren 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers sportlich ab.

Und nun, nur gut zweieinhalb (!) Jahre später, spielt der SV Darmstadt 98​ gegen die erste Mannschaft von Borussia Dortmund. In einem Pflichtspiel. In der Bundesliga. Nicht im Stadion Rote Erde, nein, im Westfalenstadion, dem Sehnsuchtsort unzähliger Fußballfans.

Im April 2013 kamen ein paar hundert Lilien-Fans mit nach Dortmund, jetzt sind es 8000. Achttausend. Eight thousand. Huit mille.

Angesichts dieser Zahl bleibt nur zu sagen – Hut ab für diejenigen, die damals schon dabei waren, und ein herzliches Willkommen denjenigen, die sich erst jetzt für die Lilien begeistern.

Egal, wie das Spiel ausgeht, auch ein 0:5 sollte keinen Frust hervorrufen, denn solch eine unfassbare Entwicklung wie sie Darmstadt 98 genommen hat, ist im Fußball extrem selten. Jeder der es mit den Lilien hält, sollte froh und stolz sein, Teil dieses tollen Vereins zu sein.

Und umso schöner für die, die damals schon frustriert aus Dortmund nach Hause gefahren sind.

IMG_5733 IMG_5759 IMG_5762 IMG_5756

 

14.08.15 /// Meinungen aus dem Hertha-Umfeld zu Peter Niemeyer und Sandro Wagner

Am 1. Spieltag startet der SV Darmstadt 98 nach 33 Jahren wieder in die Fußball-Bundesliga. Mit von der Partie auch einige neue Spieler, von denen Lilien INSIDE bereits Mario Vrancic und Konstantin Rausch genauer unter die Lupe genommen hat.

 

Nun haben wir uns  mal im Umfeld der Berliner Hertha nach den beiden Zugängen Sandro Wagner (Sturm) und Peter Niemeyer (Zentrales Mittelfeld) erkundigt und ein paar Zitate eingeholt (Danke an Benedikt und Sascha!):

 

Peter Niemeyer ist ein absoluter Kämpfer, der keinem Zweikampf aus dem Weg geht – sei es am Boden oder in der Luft. Außerdem ist er sehr laufstark. Vom Kämpferischen her passt er also zu 100 Prozent nach Darmstadt. Schnelles Umschaltspiel zählt für mich nicht zu seinen Stärken, dafür ist er einen Tick zu langsam. Dafür ist er jemand,  der seine Mitspieler mitreißen kann und er hat definitiv Führungsqualitäten.“ 

 

Peter Niemeyer ist auf jeden Fall ein Kämpfer und eigentlich auch ziemlich zweikampfstark – soll heißen, er hat nach einem Zweikampf entweder den Ball oder den Gegner (lacht). Er hat bei uns auch immer recht viele Gelbe Karten kassiert. Torgefahr geht von ihm  allerdings überhaupt nicht aus, aber das muss ja bei seiner Position auch nicht unbedingt sein. Schnelles Umschaltspiel ist mit Niemeyer vermutlich schwierig zu machen, da hat er nicht unbedingt seine Qualitäten.“

 

 

Sandro Wagner kannst du meiner Meinung vor allem als Einwechselspieler gebrauchen und ihn dann immer hoch anspielen. In der Luft hat er – alleine schon aufgrund seiner Körpergröße – Vorteile und kann Bälle festmachen, aber zumindest bei Hertha wirkte er meistens wenig spritzig. Aber vielleicht dreht er ja bei Darmstadt 98 auf.“

 

Sandro Wagner hat bei Hertha so selten mal eine dauerhafte Chance bekommen, sodass ich ihn vergleichsweise nicht gut einschätzen kann: Kämpferherz und Laufstärke prädestinieren ihn für Darmstadt 98, bezüglich schnellem Umschaltspiel und Torgefahr muss er sich erst beweisen. Er kann Bälle gut halten und verteilen, aber sonst sehe ich bei ihm nicht so viel Potenzial, lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Ich würde es ihm gönnen, da er bei Hertha immer absolut alles gegeben hat, obwohl er wie gesagt nie wirklich auf Dauer eine Chance bekommen hat. Er war auch sogar Publikumsliebling.“

07.07.15 /// „Rausch und Darmstadt 98? Wie die Faust auf’s Auge!“ – Lilien INSIDE-Interview mit Jonas Schulte und Björn Thar

Mit Konstantin Rausch hat der SV Darmstadt 98 einen neuen Defensivspieler verpflichtet. Der 25-Jährige bringt vor allem aus seiner Zeit bei Hannover 96 einiges an Bundesligaerfahrung mit, konnte aber zuletzt beim VfB Stuttgart keine große Rolle mehr spielen.

Björn Thar, Stadionmoderator im „Bölle“ und FFH-Reporter Jonas Schulte stammen beide aus der Region Hannover, sind Kenner von „96“ und haben Konstantin Rausch deshalb nie aus den Augen verloren.

Für Lilien INSIDE schätzen sie gemeinsam den neuesten Zugang der „Lilien“ ein.

 

Lilien INSIDE: Herr Thar, Herr Schulte, wie würden Sie Konstantin Rausch als Spielertypen beschreiben?

 

Björn Thar: Für mich ist „Kocka“ Rausch ein sehr flinker, ideenreicher Linksverteidiger mit viel Zug nach vorne. Nicht ohne Grund wird oft angegeben, dass er auch auf der linken Mittelfeld-Position und sogar auf dem Flügel spielen kann. Seine beste Waffe sind mit Sicherheit die scharf hereingezogenen Flanken von der linken Seite, auch lange Pässe und Flügelwechsel gehören zu seinen Stärken. In der Arbeit nach hinten sehe ich jedoch einige Defizite, vor allem in der Rückwärtsbewegung bei Ballverlust.

 

Jonas Schulte: Mir hat vor allem seine Offensiv-/ Defensivbalance imponiert: Seine Arbeit „hinten drin“ hat er immer solide erledigt und trotzdem auch viel Mut nach vorne bewiesen: Wie Björn es eben schon angesprochen hat, schaltet er sich immer wieder mit nach vorne ein und hat dadurch auch oft für Gefahr in des Gegners intimer Zone gesorgt.

 
Lilien INSIDE: Rausch hatte in Hannover seine beste Zeit, war sehr beliebt beim Publikum. Beschreiben Sie doch mal eine typische Spielsituation.

 

Thar: Balleroberung im Mittelfeld – Umschaltspiel nach vorne. Rausch läuft sich auf der linken Seite frei, auch weil er schneller reagiert als seine Gegenspieler. Er bekommt das Zuspiel, läuft die linke Seite runter und flankt auf Höhe der Strafraumgrenze den Ball gefährlich auf den Elfmeterpunkt.

 

Schulte: Treffende Beschreibung, Björn. Er ist aber auch schon gerne mal nach innen gezogen und hat selber draufgehalten. Ich schaue mir heute noch gerne den Eckball gegen Bayern München an: Ecke Rausch kurz ausgeführt auf Jan Schlaudraff, der legt wieder ab auf Rausch, der zieht aus spitzem Winkel in den Strafraum ein und hämmert das Ding mit Speed ins lange Eck. Ein Wahnsinn.

 

Lilien INSIDE: Trainer Dirk Schuster liebt Kämpfertypen – haben sich da zwei gesucht und gefunden?

 

Schulte: Definitiv. „Kocka“ Rausch ist auch in Hannover Bällen hinterhergelaufen, die manch anderer schon verloren gegeben hat. Außerdem ist er ein bescheidener Spieler, kein Freund dicker Karren. Er hat in seiner Hannoveraner Zeit ja auch lange in einer WG mit einem anderen Jugendspieler gewohnt. Aus Schickimicki macht er sich offenbar nicht so viel. Das passt wie die Faust aufs Auge zu Darmstadt.

 

Thar: Da gebe ich dir recht, Jonas. Allerdings ist es bei ihm auch ein wenig tagesformabhängig: Läuft es bei ihm von der ersten Minute an gut, heißt, die Zuspiele kommen an, er gewinnt den Großteil seiner Zweikämpfe – dann kommt auch sein Kämpfertypus zum Vorschein. Er zeigt eben manchmal mehr, manchmal weniger Präsenz auf dem Platz.

 

Lilien INSIDE: Rausch ist von Haus aus Linksverteidiger. Kann er es auch rechts, oder können nur entweder Fabian Holland oder Rausch spielen?

 

Schulte: Ich glaube, der Rausch ist links besser aufgehoben. In Hannover ist er rechts so gut wie nie in Erscheinung getreten, wenn ich mich recht erinnere. Aber vielleicht ist das ja eine noch verborgene Qualität. (lacht)

 

Thar:Wenn ich sein Trainer wäre, würde ich ihn nur links spielen lassen. Eventuell ihn auch mal weiter vorne im Mittelfeld oder gegen starke Gegner, wo das ganze Spiel von Grund aus defensiver ausgerichtet ist, auf dem Flügel spielen lassen. Aber grundsätzlich immer links. Sein linker Fuß ist einfach viel stärker als der rechte. Holland hingegen würde ich auch zutrauen auf der rechten Seite einen guten Job zu machen.

 

Lilien INSIDE: Nach seinem Wechsel nach Stuttgart lief es für Rausch nicht mehr gut. In zwei Jahren hat er nur 25 Partien absolviert. Zuletzt musste er sogar in der U23 ran. Wieso?

 

Schulte: Tja, wie das immer so ist. Wenn die Trainer nicht auf einen setzen, dann verliert man Spielpraxis, kommt aus dem Tritt und findet sich schnell in der U23 wieder. Beachtlich allerdings, wie klaglos er das in Stuttgart scheinbar hingenommen hat.

 

Thar: Das stimmt! Ich sehe aber als weiteren wichtigen Aspekt noch seine Heimatverbundenheit. Im Alter von sechs Jahren kam er mit seiner Familie nach Deutschland. Aufgewachsen ist er in Lachendorf, unweit von Hannover, und spielte von da an nur in der Region. 2005 kam dann der Wechsel in die Jugend von Hannover 96. Stuttgart war also die erste richtige Station außerhalb der Heimat. Es wird in Darmstadt darauf ankommen, wie gut er von Fans und Spielern aufgenommen wird und ob er sich hier in der Umgebung heimisch fühlen kann. Das Mannschaftsgefüge ist aber so gut bei den Lilien, dass ich das Gefühl habe, dass er es hier packen kann.

Zum anderen finde ich, dass er in das Slomka’sche System viel besser gepasst hat, als in jene von Thomas Schneider, Huub Stevens oder Armin Veh. Teams, die nicht lange den Ball halten, sondern schnell umschalten und bei Torabschlüssen viel Risiko gehen, liegen ihm mehr. Das hat er in Stuttgart so nicht vorgefunden.

 

Lilien INSIDE: 175 Bundesligaspiele sind für Darmstädter Verhältnisse eine große Zahl. Ist Rausch einer, der auch kommunikativ vorangeht oder sich eher auf dem Platz seinen Respekt verschafft?

 

Thar: Klar sind 175 Bundesligaspiele ein vorzeigbarer Wert. Allerdings muss sich Rausch nach den negativen Erlebnissen erstmal wieder fangen und zu sich selbst zurückfinden.

 

Schulte: Respekt verschafft er sich sicher, ja, aber nicht durch große Worte. Ich habe ihn als ruhigen Spieler in Erinnerung, der sich vor allem durch seine Leistungen auf dem Platz Anerkennung verschafft hat, zumindest bei 96.

 

Lilien INSIDE: Was ist seine größte Stärke, was seine größte Schwäche?

 

Schulte: Seine Dynamik und der Zug zum Tor sind sicher seine große Stärke. Aus technischer Sicht denke ich: Ein Messi ist nicht an ihm verloren gegangen, wenn man das als Schwäche ausmachen will. Er spielt halt schnörkellos zielstrebig.  

 

Thar: Sein linker Fuß ist eine Waffe: Seine Flanken sind genial, sein Tempo auch. Die fehlende Konstanz würde ich als Schwachpunkt ausmachen. Da muss „Kocka“ in Darmstadt echt dran arbeiten. Aber ich glaube, dass er hier deutlich mehr Chancen und Zeit bekommen wird als in Stuttgart.

 

Lilien INSIDE: Konstantin Rausch und der SV Darmstadt 98 – wird das eine erfolgreiche Zusammenarbeit?

 

Thar: Das kann auf jeden Fall erfolgreich werden. Schon während der Gerüchte um den Abgang von Leon Balogun habe ich gesagt, dass Rausch ein guter Ersatz für die Außenverteidigerposition sein kann. Er ist jung, hat noch Entwicklungspotenzial, hat in Hannover unter Slomka aber auch schon gezeigt, dass er ein vielseitiger Spieler ist. Vieles hängt davon ab, ob er zu alter Stärke zurückfindet und vielleicht sogar noch einmal was zusetzen kann.

 

Schulte: Das sehe ich ähnlich.Die Lilien dürfen sich sicher auf einen fußballerischen, wie menschlichen Gewinn freuen. Mit seiner Bescheidenheit ist er in Darmstadt genau richtig. Außerdem ist Darmstadt perfekt für ihn, weil er nach einem Karriereknick jetzt die Möglichkeit hat, sein zweifellos hohes Potenzial unter Beweis zu stellen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Stuttgart für ihn nur so etwas wie ein Karriere-Betriebsunfall war.

24.06.15 /// Passt Mario Vrancic zu Darmstadt 98? Lilien INSIDE-Interview mit Paderborn-Kenner Julian Koch

Mario Vrancic ist der erste Zugang des SV Darmstadt 98 für die kommende Bundesliga-Saison. Den Namen kennt man als Fußballfan, doch was kann der neue Mittelfeldspieler eigentlich? Was zeichnet ihn und sein Spiel aus? Und vor allem: Passt er zu Darmstadt 98? Darauf antwortet im Lilien INSIDE-Interview mit Julian Koch, Chefredakteur von liga3– und liga2-online.de, ein ausgewiesener Paderborn-Experte.

 

Lilien INSIDE: Herr Koch, Mario Vrancic hat die vergangenen drei Saisons im Trikot des SC Paderborn absolviert. Sie sind ein Kenner des Vereins. Wie würden Sie Vrancic beschreiben?

 

Julian Koch: Er ist ein ballsicherer, dribbelstarker Mittelfeldspieler, der den genialen Pass über das halbe Feld spielen kann. Im Torabschluss kann er sich allerdings verbessern, manchmal möchte er den Ball ins Tor tragen. (lacht)

 

Lilien INSIDE: Dirk Schuster legt viel Wert auf Spieler, die regelmäßig an ihr Limit gehen und kämpfen können. Ist Vrancic solch ein Spieler, passt er zu Darmstadt 98?

 

Koch: Ich denke schon, auch wenn er bei Paderborn nie der kampf- bzw. zweikampfstärkste Spieler war. Aber wenn ihn der Trainer richtig einstellt, kann er das durchaus. Dennoch ist dieser Aspekt sicherlich nicht seine größte Stärke – das ist die Ballsicherheit, das ist die Technik.

 

Lilien INSIDE: Mit Hanno Behrens hat ein enorm zweikampf- und vor allem kopfballstarker Mittelfeldakteur die „Lilien“ verlassen. Ist Vrancic denn überhaupt ein geeigneter Ersatz?

 

Koch: Vrancic kann Behrens ersetzen, aber eben auf seine Art. Er ist nicht so zweikampfstark, kann der Mannschaft aber mit seinen Fähigkeiten im Spielaufbau und auch bei Standardsituationen helfen: Er schießt exzellente Freistöße und Eckbälle, auch wenn das in Paderborn aufgrund von Alban Meha etwas untergegangen ist.

 

Lilien INSIDE: Ist Vrancic ein Führungsspieler?

 

Koch: Das ist er auf jeden Fall. In der Aufstiegssaison und auch in der Schlussphase der vergangenen Spielzeit war er einer der besten Spieler beim SCP. Hin und wieder hat er eine geniale Idee, welche das Spiel in die gewünschte Richtung lenken kann. Von daher ist er bereits durch seine Leistung und sein Wirken auf dem Platz eine Führungspersönlichkeit, wenn er das Vertrauen spürt. Wichtig ist aber, ihn auf der richtigen Position einzusetzen: Er ist kein „Zehner“, also kein klassischer Spielmacher, aber auch kein Abräumer vor der Abwehr. In Paderborn hatte er die Nummer 8 auf dem Trikot, das passt schon sehr gut.

 

Lilien INSIDE: Können Sie sich an eine typische Vrancic-Situation im Spiel erinnern?

 

Koch: In seinem ersten Heimspiel für Paderborn in der Saison 2012/13 gegen den VfL Bochum erzielte er direkt zwei Fernschusstore und fügte sich überragend ein. So schön diese Treffer waren, sie zeigen aber auch ein wenig das Dilemma: Vrancic hat diese Tore drauf, aber er ruft diese Fähigkeit zu selten ab, schließt zu selten aus der Distanz ab. Außerdem kommt mir noch das Hinspiel gegen Borussia Dortmund in der vergangenen Saison in den Sinn (12. Spieltag, Anm. d. Red.): Dort hat er mit einem herrlichen Pass von der Mittellinie quer durch die Dortmunder Hintermannschaft den Anschlusstreffer zum 1:2 eingeleitet. Wichtig ist allerdings, dass es vorne einen Stürmer gibt, der seine Bälle auch verwerten kann.